Architektonische Neuheit am Grazer Färberplatz

Denise Leising Architektonische Neuheit am Grazer Färberplatz Der Standard 6 giugno1989

89/02.01 Der Standard -DE

Lange war der Färberplatz Zankapfel zwischen Neuerem und Nostalgikern.
Bau-Kunst soll Bruch zwischen alt und neu sichtbar machen.

Small is beautiful. Die mitunter auch ironisch gemeinte Weisheit könnte an einem heiklen Punkt der Grazer Innenstadt architektonische Wahrheit werden. Spätestens im Dezember wird sich herausstellen, ob der kleindimensionierte Zubau am Färberplatz gelungener Beweis sensiblen Bauens in sensibler Umgebung sein wird. Denn immerhin handelt es sich dabei um den ersten „modernen" Bau in der von verteidigten Altstadt. Darum rangen konservative, ins Provinzielle verliebte Poli¬tiker auch jahrelang um eine Entscheidung: Historisieren oder zeitgenössisch bauen. Bauherr Helmut Marko, zum ersten Mal vor sechs Jahren in dieser Causa im Rathaus vor¬stellig, wollte Letzteres.

Statt Jubel Geschrei

Architektur-Professor Gün¬ther Domenig wurde um eine Vorstudie bemüht, die 1986(!) in einen städtebaulichen Wett¬bewerb unter dem Slogan „Neues Bauen in alter Umge¬bung" mündete. Statt Jubel gab es Geschrei. Die Jury vergab nämlich nur einen zweiten und dritten Preis. Angeblich hätten die Ar¬chitekten keine substantiellen Lösungen angeboten. Die Juro¬ren wären überfordert gewe¬sen, konterten die verärgerten Architekten. Verärgert war auch Bauherr Helmut Marko, während der Zweitplacierte, Richard Ellmer, noch immer nicht wußte, ob sein Entwurf zur Ausfüh¬rung gelangt. Zufrieden nick¬ten nur die Altstadtschützer. Sie hielten das Projekt für ge¬scheitert. Schließlich siegte die Ge¬genwart über die Vergangen¬heit. Vor dem Finale gab es aber noch einen Zwischenakt: Meister Friedensreich Hundertwasser, eilig herbeigerufen von Vizebürger-Meister Erich Edegger, trat auf den Plan. Der Behübscher der Barba¬rakirche in Bärnbach und streitbarer Cerberus seiner or¬namentalen Ideen, sollte das Gebäude zu einer Touristenat¬traktion reifen lassen. Aber die Liaison zerplatzte. Die Architektur sei ihm zu ei¬genständig, ließ der Maler aus¬richten, bevor er sich gänzlich in die Autonummerntafel-Schlacht warf. An seiner Stelle wird der renommierte Künstler (und Architekt!) Jorrit Tornquist Kunst am Bau zelebrieren und ein Farbkonzept entwickeln. Der scharfe Bruch von alt und neu soll deutlich gemacht wer¬den, wünscht sich der Haus¬herr. Die für einen der früheren „herbste" von Roland Goeschl bemalte Feuerwand bleibt sichtbar, der Zubau, eine Überlagerung zweier gegen¬einander leicht gedrehter Qua¬drate, wird angelehnt. Glasbrücken vom Mehl¬platz l führen ins zweite und dritte Obergeschoß des neuen - stiegenhauslosen - Marko¬hauses. Hinter den Fassaden des profitablen Büro- und Ge¬schäftshauses in bester Lage verbergen sich interessante Grundrisse für die vorgesehe-ne Mischnutzung. Die Mietpreise für Arbeitsraum bewe¬gen sich um 400 bis 500, für Wohnraum um 100 Schilling pro Quadratmeter. Fix vergeben sind zwei Ge¬schäftslokale im Erdgeschoß. Dort werden das Blumeng-schäft und die Kunsthandwer¬ker eine neue Bleibe bekom¬men. Der Pavillon wirt abgeris¬sen. Ein Café mit Barbetrieb im spektakulären Glasturm mit Galerien und Terrassen sowie Ausblick über die Dächer be¬treibt der Hausherr selbst. Zehn Millionen Schilling kostet der Bau, der dem unge¬gliederten Färberplatz eine at¬traktivere räumlichere Fas¬sung geben soll. Eine wir¬kungsvolle Gestaltung des Platzes stellt sich der ge¬schäftstüchtige Ex-Rennfahrer mit Kunst auf Zeit vor.

Notwendige Belebung

Tatsächlich wäre eine Bele¬bung des Platzes mit Plastiken, Skulpturen, Brunnen, Wasser¬spielen (ein amüsantes Vor¬bild wäre von Scharen umla¬gerte Fontäne vor der Kirche Sanit-Merri beim Centre Pom¬pidou in Paris mit den bunten Skulpturen von Tinguely und Nicky de Saint-Phalle) drin¬gend notwendig. Fremdenver¬kehr und Gastronomie würden im wahrsten Sinne des Wortes-belebt. Dasselbe gilt für Mehl-, Glockenspiel-, Bischof- und Tummelplatz. Eine Kunstmei¬le in diesem Viertel könnte entstehen. Letzten Endes würden von dieser Initiative, die so neben¬bei auch eine Förderung ein¬heimischer Künstler mit sich brächte, auch Geschäftsinha¬ber und Flaneure im „Bermu-da-Dreieck" profitieren. (Wie man hört, sind Wettbewerbe für diese Plätze - Kunst im öffentlichen Raum - in Vor¬bereitung).Apropos Brunnen und Was¬serspiele: Hier könnte man sich anläßlich der 1990 fälli¬gen Grazer Stadtausstellung zu Thema „Wasser" einiges einfallen lassen: Kleines, denn - small ist beautiful.